Das Leben ist bunt

Es ist nicht schwer zu erkennen, auf welcher Etage der Künstler Werner Brodt wohnt. Schon auf dem Flur zur Wohnung in der Karl-Arnold-Straße wird man von zahlreichen Kunstwerken empfangen. Auf den ersten Blick fällt die Vielseitigkeit der Werke ins Auge: Stillleben in Ölfarbe neben asiatischer Tuschezeichnung, geometrische Figuren in Acryl neben fließenden Mustern. Ein Eindruck, der sich in der geschmackvoll und farbenfroh eingerichteten Wohnung fortsetzt.

Malen als Herzensangelegenheit

Angefangen hat für Werner Brodt alles vor rund dreißig Jahren bei der Reha nach einer Herzoperation. Bei einem Kunstkurs kam er mit der antiken Maltechnik „Enkaustik“ in Kontakt und war von Anfang an begeistert von ihren vielfältigen, künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten.

Enkaustik beschreibt eine bereits mehr als 3000 Jahre alte Malereiform aus der griechisch-römischen Antike, bei der heiße, wachsgebundene Farbpigmente auf einen Untergrund aufgetragen werden. Dabei verwendeten die Künstler heiße Spachtel, das Ergebnis wurde mithilfe von heißem Eisen „eingebrannt“. Daraus leitet sich auch der Begriff ab. Heute kommen dazu Maleisen und Heißklebepistole zum Einsatz. Zu den berühmtesten Werken in dieser Technik zählen beispielsweise die ägyptischen Mumienporträts.

In der Zwischenzeit hat Werner Brodt schon mit vielen Malstilen experimentiert. Auch die Bildhauerei hat er schon ausprobiert und eigens einen weichen Kalkstein zu einer modernistischen Statue behauen. Am liebsten aber malt er mit Acryl und bevorzugt dabei bunte, abstrakte und surrealistische Formen im Stile Picassos. Besonders die ungewöhnlichen Perspektiven faszinieren ihn am großen Meister. Das Maltalent ist dem gelernten Schlosser in die Wiege gelegt, bereits sein Vater zeichnete viel und gerne in seiner Freizeit und porträtierte seine Umgebung.

„Da muss Farbe rein!“

Bis zu dem bunten, farbenprächtigen Stil war es ein langer und nicht immer einfacher Weg. In den Anfängen dominierten eher dunkle Farben. Den Impuls das zu ändern, gab ihm seine Frau: „Warum denn immer so düster? Da muss Farbe rein!“, befand sie. Mit dem neuen Farbrepertoire besserte sich auch schon bald seine Stimmung. Seitdem ist Malerei quasi sein Lebenselixier.

„Ich bin immer positiv gestimmt. Die Malerei hat mir in schweren Phasen Ablenkung verschafft und gibt mir sehr viel. So konnte ich mich aus manchem Tief selbst herausholen. Heute kann ich sagen, bin ich ein zufriedener Mensch.“

Eine Einstellung, die ihn auch gelassen seiner anstehenden, dritten, Herzoperation entgegenblicken lässt.

Im Sommer aktiv, im Winter kreativ

Inspiration für seine Werke findet er überall. Ob beim Gang durch die Stadt mit Blick in Galerieschaufenster oder auf Ausflügen ins Grüne. Erst kürzlich hat er ein Mofa gekauft und erkundet damit die nähere Umgebung. Doch manchmal sind die Ideen auch regelrecht Eingabe und erscheinen ihm im Traum. Bis die Ideen den Weg auf die Leinwand finden, dauert es aber meist noch etwas, denn in der ersten Jahreshälfte widmet Werner Brodt sich seiner zweiten Leidenschaft, dem Sport. Bis zu fünfmal pro Woche geht er dazu ins Fitnessstudio, sofern es möglich ist, oder trainiert zu Hause.

„Was soll ich im Sommer drinnen? Es gibt so viel zu sehen und zu erleben, was ich dann in meinen Bildern verarbeiten kann“, erklärt der 71-Jährige. Die neuen Werke entstehen daher vor allem in den Wintermonaten. Hierfür nutzt er den leerstehenden Freizeitraum auf seiner Etage, den er zu seinem Atelier eingerichtet hat. Diesen stellt ihm die GWH kostenfrei zur Verfügung.

Bilder zum Gesehen werden

Die Bilder malt Werner Brodt dabei nicht nur für sich. Bereits vor zehn Jahren begann er mit den ersten Ausstellungen. Den Anfang machte er im Sportstudio in Niederwalluf, in dem er regelmäßig trainierte. Bereits die erste Ausstellung war ein voller Erfolg: Elf Bilder konnte er verkaufen. Von da an entwickelten sich über Eigeninitiative und Mundpropaganda schnell die nächsten Ausstellungsmöglichkeiten: Neben einem Restaurant in Eltville, der Praxis seines behandelnden Arztes und Frisörsalons war auch das Rathaus Dotzheim schon eine Ausstellungsstätte. Doch um den Verkauf geht es dem autodidaktischen Künstler bei den Ausstellungen nicht: „Ich freue mich einfach, wenn meine Bilder gesehen werden.“ Der Schelmengraben fehle noch auf der Liste, erklärt er lachend. Wer weiß, was sich nach Corona noch ergibt. So lange können die Menschen sich an ihre eigenen bunten Werke wagen und von der positiven Wirkung der Malerei profitieren: „Nur Mut, einfach loslegen. Mit ein bisschen Übung wird das schon“, empfiehlt Werner Brodt.