Erik Hanf, Gartenarchitekt und Landschaftsplaner sowie verantwortlich für die Freiflächengestaltung im Schelmengraben antwortet mit einem klaren „Ja“ auf die Frage, ob Großquartiere wie der Schelmengraben für den Klimawandel gut aufgestellt sind. Denn überall, wo in die Höhe gebaut wird, bleibt mehr Platz für Grünflächen und Wald. Und je größer der Grünanteil, desto angenehmer und kühler ist das sogenannte Kleinklima im Stadtteil. Bis zu 5 Grad Unterschied macht es, wenn man von einer sonnenbeschienen Asphaltstraße in den schattigen Wald wechselt. Mit einem Grünanteil von 65 Prozent gehört der Schelmengraben zu den grünsten Stadtteilen in Wiesbaden.
Lieber verdunsten
„Um für ein möglichst ausgeglichenes Kleinklima im Schelmengraben zu sorgen, achten wir darauf, Freiflächen möglichst wenig zu versiegeln. Das heißt beispielsweise Wege nicht zu asphaltieren, sondern entweder als Sandweg zu belassen oder zwischen Steinplatten Platz zu lassen“, erklärt Erik Hanf. Denn so kann das Wasser im Boden versickern. Wenn es doch nötig ist, wird das Wasser Richtung Wiesenflächen geleitet, damit es dort abfließen kann und nicht in der Kanalisation. Im letzteren Fall wäre das Wasser dem Wasserkreislauf entzogen. Im Schelmengraben ist die Entwässerung in Grünflächen aufgrund der Hanglage nicht immer möglich, da der Boden sonst abrutschen könnte. Deshalb kommen weitere Methoden zum Einsatz, wie das Abklemmen der Dachrinnen, damit das Wasser stehen und verdunsten kann. Auf diese Weise kommt mehr Wasser in den Wasserkreislauf zurück. Und das freut wiederum die Pflanzen.
In den Schatten stellen
Rund 3.000 Bäume sorgen im Schelmengraben für Kühle im Sommer. Um den Wald auch unter künftigen klimatischen Bedingungen zu erhalten, wird mit neuen Sorten experimentiert, wie etwa dem Blauglockenbaum. „Mittlerweile wissen die Menschen Bäume als Schattenspender vor ihren Wohnungen mehr zu schätzen. Während für viele eine dunkle Wohnung durch Bäume vorm Fenster ein Ärgernis war, sind sie mittlerweile im Sommer für den Kühlungseffekt dankbar“, erklärt Erik Hanf.
Nicht nur bei Bäumen und Gehölz achten Hanf und sein Team auf Biodiversität und den Erhalt von Arten. Durch die Ausweisung von Beeten für das Urban-Gardening oder für die jährlichen Frühlings-Pflanzaktion finden Insekten und Bienen ein zuhause.
Ein großer Garten für alle
Freiflächen sind nicht nur gut fürs Klima, sie bedeuten für viele Menschen Lebensqualität. Sie sind Begegnungspunkt und bieten auch Platz zum Spielen. Denn auf vielen Freiflächen hat das Team von Hanf auch Spielareale gestaltet. Zuletzt wurde der Außenbereich rund um die Stephan-Born-Straße eingeweiht.
„Im Grunde gestalten wir für die Menschen im Schelmengraben ihren persönlichen Garten. Vielen ist nicht bewusst, wie viel Kraft- und Energieaufwand die Pflege für den Einzelnen bedeuten würde“, erklärt Erik Hanf.
Großraumquartiere haben keinen besonders guten Ruf, doch klimatechnisch stellen sie andere Wohnformen in den Schatten und könnten wegweisend für das Wohnen der Zukunft sein:
„In den Hochhäusern August-Bebel-Straße 29-31 und Hans-Böckler-Straße 75 etwa leben rund 250 Menschen auf kleiner Fläche. Das ist ungefähr ein kleines Dorf im Hintertaunus. Es gibt kaum einen besseren Hebel für einen geringen ökologischen Fußabdruck als das mehrgeschossige Wohnen. So schaffen wir auch Platz für mehr Grün mit all seinen positiven Effekten für Mensch und Natur“, schließt Erik Hanf.