Engagiert bis in die Spitzen

Die Arbeitsgemeinschaft Schelmengraben e.V. (ags), ein 1974 gegründeter gemeinnütziger Verein mit Schwerpunkt auf Schuldnerberatung, ist bis heute eine feste Institution im Stadtteil. Dass das so ist, ist auch dem unermüdlichen Engagement von Ulrike Schumacher zu verdanken.

„Mein erster Eindruck vom Schelmengraben damals lässt sich mit sehr grün und anonym zusammenfassen“, erzählt Ulrike Schumacher. Aus anderen sozialen Projekten in anderen Stadtteilen kannte sie, dass die Menschen auch spontan vorbeischauen und sich der Kontakt dadurch ergibt. Hier war klar, dass es einen anderen Weg braucht, um Aufmerksamkeit für das Beratungsangebot zu schaffen. Eine Aufgabe, der sich Ulrike Schumacher nach ihrem Studium gerne annahm. 1994 begann sie schließlich ihren Job in der ags, den sie bis zu ihrem Ruhestand in diesem Jahr ausübte.

Den ganzen Menschen in den Blick nehmen

„Als ich einstieg war die ags die erste Institution, die ein derartiges Angebot im Bereich der Schuldnerberatung in Wiesbaden etabliert und kontinuierlich weiterentwickelt hat. Mir war schnell klar, dass das etwas für mich ist. Besonders angesprochen hat mich der Ansatz der Gemeinwesensarbeit, der sich als Leitgedanke durch alle Angebote und Projekte der ags zieht. Hier werden der gesamte Mensch und seine Situation in den Blick genommen. Die Ursachen für Verschuldung können sehr vielfältig sein“, erklärt sie.

Durch Fortbildungen erwarb sie das notwendige Wissen, um eine umfassende Beratung anbieten zu können. Denn mit der Anerkennung der Schuldnerberatung im Rahmen der Insolvenzberatung als eigenständiges Angebot, waren auch zunehmend erweiterte Kompetenzen im Sozialrecht sowie Spezialisierungen zu Mahnverfahren und Vollstreckungstitel notwendig, um rechtssicher zu beraten.

„Der Abbau von Schulden ist dabei nur ein Aspekt der Arbeit. Vor allem geht es darum, den Menschen wieder ein Stück Lebensfreude zurückzugeben. Wir schauen genau, an welchen Stellen wir Entlastungen schaffen können. Den Menschen fehlt oft das Wissen dazu, welche Möglichkeiten es gibt, wie etwa Zuschüsse für den Nachhilfeunterricht bei Kindern oder Wohngeld. Wenn die Bürde etwas genommen ist, kommen Menschen wieder ins Handeln und können nachhaltig etwas ändern.“

Niedrigschwelligen Zugang schaffen

Um den Menschen die Scheu zu nehmen, sich Unterstützung zu holen, hat sie und ihr Team sich von Anfang an für einen möglichst niedrigschwelligen Zugang stark gemacht. Ein Format ist beispielsweise die offene Sprechstunde, zu der die Menschen ohne Anmeldung direkt kommen können, um ihre Situation zu schildern. „Oft haben bis zu 20 Personen im Flur vor dem ehemaligen Büro im alten Stadtteilzentrum gewartet“, erinnert sich Ulrike Schumacher.

„Verschuldet zu sein, empfinden viele Menschen als ein großes Stigma und suchen sich oft erst spät Hilfe. Wenn ich jedoch eines über die Jahre gelernt habe: Es ist ein Fehler zu denken, es betreffe nur eine bestimmte Gesellschaftsschicht – einschneidende Lebensereignisse wie Scheidungen oder Arbeitsplatzverlust können jeden finanziell schnell aus der Bahn werfen.“

In der Beratung war Ulrike Schumacher dabei immer wichtig, den Menschen nicht nur akut zu helfen, sondern langfristig ein Verständnis vom Umgang mit Geld zu vermitteln. Das bedeutet auch in der Beratung den Betreffenden Raum zu geben, Schritt für Schritt selbstständig Lösungen zu finden. „Manchmal haben wir Tüten gemacht für jeden Monat, um das Budget zu veranschaulichen, das habe ich noch früher von meinen Eltern beigebracht bekommen.“

Mehr Sichtbarkeit durch Gremienarbeit

Für die ags war schon immer die Vernetzungsarbeit die Voraussetzung für ihre Arbeit. So ist sie gemeinsam mit anderen Akteuren Teil von stadtteilübergreifenden Projekten wie unter anderem dem Stadtteilfest.

Ein wichtiges Forum war und ist dabei die Stadtteilkonferenz, zu der sich regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter der sozialen Institutionen im Schelmengraben treffen. Ulrike Schumacher hat schon in den Anfangszeiten ihrer Tätigkeit die Moderation übernommen. Durch das Netzwerk der Stadtteilkonferenz ist auch eines ihrer Herzensprojekte entstanden. Gemeinsam mit der Grundschule Schelmengraben, dem Stadtteilzentrum und der evangelischen Kirchengemeinde hat sie das Frühstücksprojekt „Lecker, Clever, Fit“ ins Leben gerufen, bei dem Schulkinder auch ein gesundes Frühstück erhielten und Eltern sich bei Bedarf beraten lassen konnten.

„Ich bin bis heute eine leidenschaftliche Netzwerkerin. In den verschiedenen Gremien entstehen kreative und unkonventionelle Ideen für Projekte, die an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort ansetzen“, beschreibt Ulrike Schumacher ihren Antrieb.

Engagement, das in die Stadt hineinwirkt

Ihr Engagement hat die Bedeutung der ags und der Schuldnerberatung als eigenständiges Angebot über den Schelmengraben hinaus in der Stadt fest etabliert und so die Förderung sichergestellt. In den Jahren ist die ags zur festen Anlaufstelle für Menschen in schwierigen finanziellen Situationen im Schelmengraben aber auch im Großteil von Wiesbaden geworden. Heute berät die ags rund 700 Personen im Jahr.

„Durch die Projekte von Sozialer Zusammenhalt und auch der GWH hat sich viel getan“, bilanziert Ulrike Schumacher.“ „Der Schelmengraben ist nicht nur optisch schöner geworden, durch Gremien wie den Quartiersrat werden die Themen der Menschen auch stärker öffentlich sichtbar. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind aktiv und bringen sich ein, weil sie sehen, dass sie in ihrem Stadtteil selbst etwas bewirken können.“

Wenn sie sich noch etwas wünschen könnte, wären es mehr Begegnungsorte, an denen die Menschen zusammenkommen können. Denn aus ihrer Erfahrung heraus, ist es der persönliche Austausch, der Menschen bewegt und neues entstehen lässt.